Perspektiven und Visionen von Geschlechtergerechtigkeit in Zeiten von Gender
Geschlechterfragen gewinnen zunehmend an Bedeutung: individuell, gesellschaftlich, politisch aber auch wirtschaftlich. Die Diskurse um die Frage, welche Auswirkungen soziale und kulturelle Zuschreibungen für Mädchen und Jungen, aber auch für Frauen und Männer haben, bewegen immer weitere Kreise. Dabei ist eine zunehmende Verkehrung bisheriger Thesen zu erkennen: Von „Alphamädchen“ und „Jungenkatastrophe“ ist die Rede. Das „katholische Mädchen vom Lande“ als Synonym der Mehrfachbenachteiligung ist abgelöst worden vom „bildungsfernen Jungen mit Migrationshintergrund in der Großstadt“. Diskutiert wird, ob es heute tatsächlich noch die Mädchen sind, die benachteiligt sind, oder ob nicht vielmehr Jungen heute das „arme Geschlecht“ bilden. Insbesondere die Bildungsdebatten haben diese Diskussionen befördert.
Insofern ist es nicht länger sinnvoll, Mädchenarbeit nur singulär zu betrachten. Die gesellschaftspolitischen Diskurse um Gleichberechtigung und Geschlechterdemokratie erfordern, dass wir die Lebenslagen von Mädchen und Mädchenarbeit in globalerem Rahmen sehen und bewerten. Auf den unterschiedlichen Ebenen ergeben sich neue Fragen und Themen, die es zukünftig zu bearbeiten gilt und zu denen ich arbeite:
Mädchenarbeit
Mädchenpolitik
Genderkompetenz
Genderpädagogik
Gender Mainstreaming
Bildungspolitik
Lebenslagen von Mädchen und Jungen
Mädchenarbeit
Mädchenarbeit: feministisch, parteilich, emanzipatorisch. Seit drei Jahrzehnten revolutioniert sie die Kinder- und Jugendhilfe in Geschlechterfragen. Aktuell sieht sie sich mit neuen Anforderungen konfrontiert, die Weiterentwicklung und Reflexion verlangen und Mädchenarbeit verändern werden. Zentrale Fragen, die es zu bearbeiten gilt, sind:
1. Sind die Grundsätze und Ziele parteilicher Mädchenarbeit heute noch tragfähig und ausreichend?
2. Wie, wann und warum entstand und entwickelte sich feministische/parteiliche Mädchenarbeit?
3. Was lehrt die Geschichte der Mädchenarbeit für die aktuelle Situation und Perspektiven von Mädchenarbeit und gleichstellungsorientierter Kinder- und Jugendhilfe?
4. Welche Bedeutung haben feministische Gesellschaftstheorien von Differenz, Gleichheit und Dekonstruktion für die Mädchenarbeit?
5. Wollen Mädchen noch Mädchenarbeit?
Mädchenpolitik
Mädchenpolitik ist wichtiger denn je! Mädchen geraten wieder ins gesellschaftliche Abseits. Diesmal nicht, weil die Teilung der Welt in männliche und weibliche Territorien als naturgegeben angesehen wird wie in den 1970er Jahren, sondern weil jahrelange, gleich geschaltete Medienkampagnen das Ende der Benachteiligung von Mädchen propagieren und damit das Ende ihrer Förderung begründet wird: „Alphamädchen brauchen keine Programme und keine Sonderförderung mehr, sie können alleine für sich eintreten“, so die Propaganda. Dass das nicht wahr ist, spielt dabei kaum eine Rolle. Strukturelle Benachteiligungen in Ausbildung und Beruf, Doppelbelastung, sexuelle und häusliche Gewalt sind nur einige Phänomene, die zeigen, dass im Grundsatz noch vieles beim Alten ist. Benachteiligte Mädchen haben keine Lobby mehr, weil es sie in der medialen Welt der Alphamädchen gar nicht mehr gibt. Aufgabe von Mädchenpolitik ist es, strukturelle, gesellschaftspolitische und individuelle Benachteiligungen von Mädchen und jungen Frauen aufzudecken und ihnen entgegen zu wirken. Immer noch und immer wieder. Wie, das gilt es für jede Kommune, jeden Landkreis, jeden Mädchenarbeitskreis und jeden Träger spezifisch auszuarbeiten.
Genderkompetenz
Alle reden von Gender (fast alle), aber: Was ist Gender? Wie kann frau/man Genderkompetenz erlangen? Genderkompetenz ist die Befähigung, geschlechtsspezifische Ungleichheiten, Benachteiligungen, Abwertungen und Privilegien zu erkennen, sie mit Mädchen und Jungen bzw. mit Kolleginnen und Kollegen zu bearbeiten und im eigenen Arbeitsfeld dazu beizutragen, dass Mädchen und Jungen geschlechtsbewusst begegnet wird. Ziel von Genderkompetenz ist, der Einengung von Entwicklungsmöglichkeiten durch geschlechtsspezifische Barrieren aktiv entgegen zu wirken und Mädchen wie Jungen zu ermächtigen, sich entsprechend ihren Interessen und Begabungen zu entwickeln und nicht entsprechend vorgegebener Geschlechterrollen. Entsprechend erfordert Genderkompetenz Wissen um Geschlechterverhältnisse, Selbstreflexion und geschlechterpädagogische Kompetenz. Aus dem Zusammenspiel dieser Kompetenzen können Fachkräfte lernen, mit Mädchen und Jungen geschlechtergerecht umzugehen.
Genderpädagogik
Es ist nicht mehr alleine die Mädchenarbeit, die geschlechtsbewusste und gleichberechtigungsfördernde Konzepte besitzt und umsetzt. Gender in der Kinder- und Jugendhilfe bedeutet heute, die geschlechtshomogenen Ansätze der Mädchen- und Jungenarbeit miteinander und mit den geschlechtsgemischten Ansätzen geschlechtergerechter Koedukation und Cross Work zu verbinden. Ziel ist ein Gesamtsystem verschiedener Ansätze geschlechtsbewusster Pädagogik und Sozialer Arbeit.
Dabei ist zu beachten, welcher Ansatz welche spezifische Kompetenz besitzt und wie Fachkräfte entscheiden können, wann welche Form der geschlechtergerechten Arbeit sinnvoll und notwendig ist. Genderpädagogik erfordert Genderkompetenz bei und die Zusammenarbeit aller MitarbeiterInnen eines Teams/Angebots.
Gender Mainstreaming
Gender Mainstreaming ist eine politische Strategie, die auf die Herstellung tatsächlicher Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen zielt. Dazu soll Verwaltungshandeln von der Führungsspitze her nach unten (top-down) so ausgestaltet werden, dass Jede/r MitarbeiterIn das eigene Entscheidungshandeln regelhaft auf Geschlechtergerechtigkeit ausrichten kann. Gender Mainstreaming zielt damit auf die Veränderung von Organisationen, von Personalpolitik und von Handeln. Die Einführung von Vorgaben geschlechtergerechten Handelns soll im zweiten Schritt dazu führen, dass auch Leistungsbezieher (freie Träger) ihre Angebote und Maßnahmen geschlechtergerecht ausrichten. Gender Mainstreaming ergänzt die bisherige Frauenpolitik um eine neue Strategie und nimmt nun auch die Geschlechterverhältnisse und die Situation von Jungen und Männern in den Blick. Gender Mainstreaming ist ein poltitische Strategie, die es zu erlernen gilt, um mehr Geschlechtergerechtigkeit durchzusetzen: für Mädchen und für Jungen, für Frauen und für Männer.
Bildungspolitik
Seit die internationalen Schulleistungsvergleichsstudien zeigen, dass die Bildung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland weniger als mittelmäßig ist, hat Bildungspolitik einen neuen Stellenwert erhalten. PolitikerInnen sind bemüht, die hohe gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung von Bildung hervorzuheben und Bildungsanstrengungen zu proklamieren. Tatsächlich sind die Bildungsausgaben in Deutschland allerdings immer noch deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. Besonders dramatisch wird öffentlich diskutiert, dass Mädchen im Durchschnitt bessere Schulleistungen und –abschlüsse erbringen als Jungen. „Schlaue Mädchen – dumme Jungen“ titelte der „Spiegel“ im Mai 2004. Doch nicht die (tatsächlich vorhandenen) Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern tragen das größte Ungerechtigkeitspotenzial in sich. Die Bildungsunterschiede zwischen armen und reichen Kindern/Jugendlichen und solchen mit und ohne Migrationsvorgeschichte sind deutlich größer als die zwischen den Geschlechtern, dafür aber öffentlich wenig skandalisiert. Bildungspolitik ist absichtsvoll und wenig gleichberechtigt, nicht nur in Bezug auf die Geschlechter. Sie zu verstehen und zu durchdringen ist wichtige Voraussetzung, um auch im sozialpädagogischen Handeln gerecht und zukunftsweisend mit Mädchen und Jungen zu arbeiten.
Lebenslagen von Mädchen und Jungen
Von „Prinzessin Lillyfee“ und „Bob der Baumeister“ ist es auch heute noch für viele Mädchen und Jungen ein kurzer Weg zur Frisörin und dem Mechatroniker. Gesellschaftliche Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit bestimmen das Leben von der Kindheit bis ins hohe Alter. Modernisierungen von Mädchenbildern verhindern bislang nicht, dass alte, konservative Vorstellungen weiterhin hoch wirksam sind. Auf Seiten von Jungen beginnt die Erweiterung von Männlichkeitsvorstellungen erst sehr langsam. So sind die Welten von Mädchen und Jungen auch heute noch weitgehend getrennt, ebenso wie gesellschaftliche Vorstellungen darüber, was weiblich und was männlich ist. Geblieben ist auch, dass Geschlechtervorstellungen dichotom und sich gegenseitig ausschließend sind: Was weiblich ist, kann nicht männlich sein und umgekehrt. Bleibt diese Grundstruktur, dann wird es nie Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern geben. Lebenslagen von Mädchen und Jungen werden nur dann offen in ihren Möglichkeiten, wenn Verhaltensweisen, Arbeitsfelder, Hobbies und Interessen nicht mehr je geschlechtsspezifisch konnotiert sind. Es geht also nicht darum, Mädchenbereiche für Jungen zu öffnen und umgekehrt, sondern ein Denken und Handeln abzuschaffen, dass Lebensbereiche in männlich und weiblich einteilt.
Geschlechterfragen gewinnen zunehmend an Bedeutung: individuell, gesellschaftlich, politisch aber auch wirtschaftlich. Die Diskurse um die Frage, welche Auswirkungen soziale und kulturelle Zuschreibungen für Mädchen und Jungen, aber auch für Frauen und Männer haben, bewegen immer weitere Kreise. Dabei ist eine zunehmende Verkehrung bisheriger Thesen zu erkennen: Von „Alphamädchen“ und „Jungenkatastrophe“ ist die Rede. Das „katholische Mädchen vom Lande“ als Synonym der Mehrfachbenachteiligung ist abgelöst worden vom „bildungsfernen Jungen mit Migrationshintergrund in der Großstadt“. Diskutiert wird, ob es heute tatsächlich noch die Mädchen sind, die benachteiligt sind, oder ob nicht vielmehr Jungen heute das „arme Geschlecht“ bilden. Insbesondere die Bildungsdebatten haben diese Diskussionen befördert.
Insofern ist es nicht länger sinnvoll, Mädchenarbeit nur singulär zu betrachten. Die gesellschaftspolitischen Diskurse um Gleichberechtigung und Geschlechterdemokratie erfordern, dass wir die Lebenslagen von Mädchen und Mädchenarbeit in globalerem Rahmen sehen und bewerten. Auf den unterschiedlichen Ebenen ergeben sich neue Fragen und Themen, die es zukünftig zu bearbeiten gilt und zu denen ich arbeite:
Mädchenarbeit
Mädchenpolitik
Genderkompetenz
Genderpädagogik
Gender Mainstreaming
Bildungspolitik
Lebenslagen von Mädchen und Jungen
Mädchenarbeit
Mädchenarbeit: feministisch, parteilich, emanzipatorisch. Seit drei Jahrzehnten revolutioniert sie die Kinder- und Jugendhilfe in Geschlechterfragen. Aktuell sieht sie sich mit neuen Anforderungen konfrontiert, die Weiterentwicklung und Reflexion verlangen und Mädchenarbeit verändern werden. Zentrale Fragen, die es zu bearbeiten gilt, sind:
1. Sind die Grundsätze und Ziele parteilicher Mädchenarbeit heute noch tragfähig und ausreichend?
2. Wie, wann und warum entstand und entwickelte sich feministische/parteiliche Mädchenarbeit?
3. Was lehrt die Geschichte der Mädchenarbeit für die aktuelle Situation und Perspektiven von Mädchenarbeit und gleichstellungsorientierter Kinder- und Jugendhilfe?
4. Welche Bedeutung haben feministische Gesellschaftstheorien von Differenz, Gleichheit und Dekonstruktion für die Mädchenarbeit?
5. Wollen Mädchen noch Mädchenarbeit?
Mädchenpolitik
Mädchenpolitik ist wichtiger denn je! Mädchen geraten wieder ins gesellschaftliche Abseits. Diesmal nicht, weil die Teilung der Welt in männliche und weibliche Territorien als naturgegeben angesehen wird wie in den 1970er Jahren, sondern weil jahrelange, gleich geschaltete Medienkampagnen das Ende der Benachteiligung von Mädchen propagieren und damit das Ende ihrer Förderung begründet wird: „Alphamädchen brauchen keine Programme und keine Sonderförderung mehr, sie können alleine für sich eintreten“, so die Propaganda. Dass das nicht wahr ist, spielt dabei kaum eine Rolle. Strukturelle Benachteiligungen in Ausbildung und Beruf, Doppelbelastung, sexuelle und häusliche Gewalt sind nur einige Phänomene, die zeigen, dass im Grundsatz noch vieles beim Alten ist. Benachteiligte Mädchen haben keine Lobby mehr, weil es sie in der medialen Welt der Alphamädchen gar nicht mehr gibt. Aufgabe von Mädchenpolitik ist es, strukturelle, gesellschaftspolitische und individuelle Benachteiligungen von Mädchen und jungen Frauen aufzudecken und ihnen entgegen zu wirken. Immer noch und immer wieder. Wie, das gilt es für jede Kommune, jeden Landkreis, jeden Mädchenarbeitskreis und jeden Träger spezifisch auszuarbeiten.
Genderkompetenz
Alle reden von Gender (fast alle), aber: Was ist Gender? Wie kann frau/man Genderkompetenz erlangen? Genderkompetenz ist die Befähigung, geschlechtsspezifische Ungleichheiten, Benachteiligungen, Abwertungen und Privilegien zu erkennen, sie mit Mädchen und Jungen bzw. mit Kolleginnen und Kollegen zu bearbeiten und im eigenen Arbeitsfeld dazu beizutragen, dass Mädchen und Jungen geschlechtsbewusst begegnet wird. Ziel von Genderkompetenz ist, der Einengung von Entwicklungsmöglichkeiten durch geschlechtsspezifische Barrieren aktiv entgegen zu wirken und Mädchen wie Jungen zu ermächtigen, sich entsprechend ihren Interessen und Begabungen zu entwickeln und nicht entsprechend vorgegebener Geschlechterrollen. Entsprechend erfordert Genderkompetenz Wissen um Geschlechterverhältnisse, Selbstreflexion und geschlechterpädagogische Kompetenz. Aus dem Zusammenspiel dieser Kompetenzen können Fachkräfte lernen, mit Mädchen und Jungen geschlechtergerecht umzugehen.
Genderpädagogik
Es ist nicht mehr alleine die Mädchenarbeit, die geschlechtsbewusste und gleichberechtigungsfördernde Konzepte besitzt und umsetzt. Gender in der Kinder- und Jugendhilfe bedeutet heute, die geschlechtshomogenen Ansätze der Mädchen- und Jungenarbeit miteinander und mit den geschlechtsgemischten Ansätzen geschlechtergerechter Koedukation und Cross Work zu verbinden. Ziel ist ein Gesamtsystem verschiedener Ansätze geschlechtsbewusster Pädagogik und Sozialer Arbeit.
Dabei ist zu beachten, welcher Ansatz welche spezifische Kompetenz besitzt und wie Fachkräfte entscheiden können, wann welche Form der geschlechtergerechten Arbeit sinnvoll und notwendig ist. Genderpädagogik erfordert Genderkompetenz bei und die Zusammenarbeit aller MitarbeiterInnen eines Teams/Angebots.
Gender Mainstreaming
Gender Mainstreaming ist eine politische Strategie, die auf die Herstellung tatsächlicher Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen zielt. Dazu soll Verwaltungshandeln von der Führungsspitze her nach unten (top-down) so ausgestaltet werden, dass Jede/r MitarbeiterIn das eigene Entscheidungshandeln regelhaft auf Geschlechtergerechtigkeit ausrichten kann. Gender Mainstreaming zielt damit auf die Veränderung von Organisationen, von Personalpolitik und von Handeln. Die Einführung von Vorgaben geschlechtergerechten Handelns soll im zweiten Schritt dazu führen, dass auch Leistungsbezieher (freie Träger) ihre Angebote und Maßnahmen geschlechtergerecht ausrichten. Gender Mainstreaming ergänzt die bisherige Frauenpolitik um eine neue Strategie und nimmt nun auch die Geschlechterverhältnisse und die Situation von Jungen und Männern in den Blick. Gender Mainstreaming ist ein poltitische Strategie, die es zu erlernen gilt, um mehr Geschlechtergerechtigkeit durchzusetzen: für Mädchen und für Jungen, für Frauen und für Männer.
Bildungspolitik
Seit die internationalen Schulleistungsvergleichsstudien zeigen, dass die Bildung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland weniger als mittelmäßig ist, hat Bildungspolitik einen neuen Stellenwert erhalten. PolitikerInnen sind bemüht, die hohe gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung von Bildung hervorzuheben und Bildungsanstrengungen zu proklamieren. Tatsächlich sind die Bildungsausgaben in Deutschland allerdings immer noch deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. Besonders dramatisch wird öffentlich diskutiert, dass Mädchen im Durchschnitt bessere Schulleistungen und –abschlüsse erbringen als Jungen. „Schlaue Mädchen – dumme Jungen“ titelte der „Spiegel“ im Mai 2004. Doch nicht die (tatsächlich vorhandenen) Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern tragen das größte Ungerechtigkeitspotenzial in sich. Die Bildungsunterschiede zwischen armen und reichen Kindern/Jugendlichen und solchen mit und ohne Migrationsvorgeschichte sind deutlich größer als die zwischen den Geschlechtern, dafür aber öffentlich wenig skandalisiert. Bildungspolitik ist absichtsvoll und wenig gleichberechtigt, nicht nur in Bezug auf die Geschlechter. Sie zu verstehen und zu durchdringen ist wichtige Voraussetzung, um auch im sozialpädagogischen Handeln gerecht und zukunftsweisend mit Mädchen und Jungen zu arbeiten.
Lebenslagen von Mädchen und Jungen
Von „Prinzessin Lillyfee“ und „Bob der Baumeister“ ist es auch heute noch für viele Mädchen und Jungen ein kurzer Weg zur Frisörin und dem Mechatroniker. Gesellschaftliche Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit bestimmen das Leben von der Kindheit bis ins hohe Alter. Modernisierungen von Mädchenbildern verhindern bislang nicht, dass alte, konservative Vorstellungen weiterhin hoch wirksam sind. Auf Seiten von Jungen beginnt die Erweiterung von Männlichkeitsvorstellungen erst sehr langsam. So sind die Welten von Mädchen und Jungen auch heute noch weitgehend getrennt, ebenso wie gesellschaftliche Vorstellungen darüber, was weiblich und was männlich ist. Geblieben ist auch, dass Geschlechtervorstellungen dichotom und sich gegenseitig ausschließend sind: Was weiblich ist, kann nicht männlich sein und umgekehrt. Bleibt diese Grundstruktur, dann wird es nie Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern geben. Lebenslagen von Mädchen und Jungen werden nur dann offen in ihren Möglichkeiten, wenn Verhaltensweisen, Arbeitsfelder, Hobbies und Interessen nicht mehr je geschlechtsspezifisch konnotiert sind. Es geht also nicht darum, Mädchenbereiche für Jungen zu öffnen und umgekehrt, sondern ein Denken und Handeln abzuschaffen, dass Lebensbereiche in männlich und weiblich einteilt.